Klimawandel ist Frage der Existenz
Die Prognosen zum Klimawandel sind zunehmend düster, das Interesse der Menschen an diesem Thema gleichbleibend gering: In diesem Spannungsfeld stand am Donnerstag, 17. Mai, eine Podiumsdiskussion, zu der die katholische Kirche in Wiesbaden im Rahmen der von ihr veranstalteten Klimawoche eingeladen hatte. Dass nicht allzu viele Teilnehmer den Weg ins Roncalli-Haus gefunden hatten, passte zum Bild. Die Podiumsteilnehmer aus Politik und Kirche nutzten gleichwohl die Gelegenheit, nicht nur über bereits bestehendes Engagement zu informieren, sondern im Laufe des Abends auch mehr gemeinschaftliches, kooperatives Handeln zu verabreden.
Das Monster steht vor der Tür
„Deutschland lebt auf Pump: Die natürlichen Ressourcen für 2018 sind bereits aufgebraucht.“, führte Moderatorin Dr. Almuth Schauber in das Thema ein. Mit Bezug auf Papst Franziskus unterstrich sie die „Verantwortung, die wir alle übernehmen müssen“. Stadtentwicklung müsse dabei im Fokus stehen, weil die Städte weltweit 75 Prozent an Energie verbrauchten und zugleich zu 75 Prozent für den Ausstoß von Klimagasen zuständig seien. Angela Dorn, Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, startete ihr Statement ebenfalls mit einer Mahnung: „Die nächsten Jahren sind entscheidend“, sagte sie, schließlich stehe „das Monster schon vor der Tür.“
Die Auswirkungen des Klimawandels sind nach ihren Worten auch in Hessen bereits deutlich spürbar, wie sie mit Zahlen zum Temperaturanstieg belegte. Hessen habe einen Klimaschutzplan und entsprechende Ziele, „aber der Prozess von unten ist entscheidend.“ Es gehe nicht nur um Lebensbewahrung, sondern vor allem um Lebensbejahung, sagte sie. Dazu dienten Maßnahmen wie das im vergangenen Jahr eingeführte Schülerticket, das Schülern und Auszubildenden ermöglicht, für einen Euro pro Tag mit Bus und Bahn in ganz Hessen unterwegs zu sein.
Einladung zum Stadtradeln
Eine gute Nachricht hatte Laura Gouverneur mitgebracht: „Wiesbaden ist im Klimaschutz sehr aktiv“, berichtete die Klimaschutzmanagerin der Stadt. Mit viel Bürgerbeteiligung seien entsprechende Ziele unter der Formel „20 20 20“ beschlossen worden. Bis 2020 soll zum einen der Energieverbrauch um 20 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden, zum anderen soll die dann noch benötigte Energie zu 20 Prozent aus erneuerbaren Quellen kommen. Vielfach als eine der fahrradunfreundlichsten Städte „ausgezeichnet“, sieht sie in dieser Hinsicht für die Landeshauptstadt noch viel Handlungsbedarf. Gerne würde sie die Kirchen mit ins Boot nehmen und lud deswegen gleich auf diesem Wege die Kirchengemeinden dazu ein, sich vom 3. bis 23. Juni am Stadtradeln zu beteiligen.
Ob sie beim Stadtradeln mit dabei ist, verriet sie nicht, aber in Sachen Umweltschutz konnte sie ihrer Kirche ein gutes Zeugnis ausstellen: Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) habe sich auf den Weg gemacht, sagte Nicole Nestler von der Fachstelle Gesellschaftliche Verantwortung. Bereits seit 2013 gebe es ein integriertes Klimaschutzkonzept. Zwei Klimaschutzmanager sind unter anderem für die energetische Begleitung aller Baumaßnahmen zuständig. Ganz aktuell habe die Synode beschlossen, ihre Gemeinden und Einrichtungen zum Bezug von Ökostrom und Biogas zu verpflichten. Und ebenfalls oben auf der Agenda stehe das Thema nachhaltige Geldanlage.
Schöpfungsverantwortung ist Gottesfrage
Die Diagnose von Dr. Thomas Wagner fiel da deutlich kritischer aus: „Wir sind Legastheniker im Blick auf das Kernthema Schöpfungsverantwortung“, sagte der Studienleiter der Katholischen Akademie Rabanus Maurus. Dabei sei das, aus seiner Sicht als Christ, „die zentrale Gottesfrage unserer Tage.“ Wenn es ums Klima gehe, gehe es immer auch um Soziales, betonte er. Diesen Zusammenhang nehme die Akademie und die Katholische Erwachsenenbildung in den Blick. Als Beispiel für die seiner Meinung nach unerlässliche Vernetzung mit regionalen Akteuren nannte er den SDG-Dialog in Frankfurt, der sich auf die internationale Agenda 2030 mit ihren 17 Entwicklungszielen (Sustainable Development Goals) bezieht. Auf Bistumsebene, so informierte Wagner, seien inzwischen zehn Bistumseinrichtungen und über 40 Kirchengemeinden im Rahmen des Umweltmanagements nach EMAS zertifiziert. „Ins Stammbuch“ aber gehöre, was die Grünen-Politikerin Angela Dorn innerhalb der Diskussion gesagt hatte: Dass die Kirchen eine ganz wichtige Funktion in diesem Prozess als Vorbild und Kommunikator haben könnten.
Als Auftrag in diesem Sinne fasste von Veranstalterseite aus auch Theresa Weinert von der Katholischen Erwachsenenbildung den Abend auf. „Wir müssen für dieses dringliche Thema mehr Menschen mobilisieren“, sagte die Referentin für politische Bildung und zitierte zum Abschluss den Theologen und Ökonom Professor Ottmar Edenhofer: „Klimawandel ist keine Frage der Umwelt, sondern der Existenz.“