07.06.2012
Gesandt in die Straßen der Welt
WETZLAR. Mit einer großen Prozession und einem festlichen Pontifikalamt mit Weihbischof Dr. Thomas Löhr (Limburg) im Rosengärtchen haben die Katholiken in Wetzlar Fronleichnam, das Hochfest des Leibes und Blutes Christi, gefeiert. Im Mittelpunkt dieses Festes steht das eucharistische Brot, in dem Christus gegenwärtig ist. In einer Monstranz wird Christus in Form dieses geweihten Brotes durch die Straßen getragen und von den Gläubigen verehrt. Entlang des Weges werden die Straßen und Häuser festlich geschmückt. Unterwegs gibt es Stationen an denen Texte der Heiligen Schrift vorgelesen, Fürbitte gehalten und der eucharistische Segen gespendet wird.
"Es ist nicht ein Spaziergang, wenn wir heute an Fronleichnam zur Prozession aufbrechen. Auch nicht ein Gang, um die Schönheiten der Stadt zu entdecken oder unseren Wissensdurst zu stillen oder den Hessentag zu erkunden", sagte Weihbischof Löhr in seiner Predigt. Er erinnerte an den Auftrag, den jeder Christ habe. "Wir werden ausgesandt. Nicht irgendwohin, sondern in die Straßen unserer Welt, dieser Stadt Wetzlar und der vielen Orte in unserem Alltagsleben", so der Weihbischof. Heute wie damals gäbe es nicht wenige Hindernisse: Die großen Diktaturen des 20. Jahrhunderts hätten der Kirche den Weg in den Alltag der Menschen verwehrt. Kirchliches Leben sei, abgesehen von den Gottesdiensten in den Kirchen, in die Sakristeien verbannt worden. Eucharistiefeiern und Gebet im Freien wären undenkbar gewesen. Heute gäbe es anderes, das hindert. "Es scheint, als seien wir einfach zu bequem und selbstgenügsam geworden, um hinauszugehen. Oder vielleicht zu müde, kraftlos und ideenlos", so Löhr. Bisweilen komme es ihm vor, als sei eine erschöpfte Kirche aufgewacht und habe festgestellt, dass sie alt geworden ist und die Welt sich verändert habe. Und sie sei unsicher geworden, was sie dieser Welt heute zu sagen habe.
Die Sendung der Christen auf die Straßen der Welt ist nach den Worten Löhrs ein österliches Geschehen. Nach dem Kreuzestod Jesu hätten sich die Jünger aus Angst hinter verschlossenen Türen versammelt. Alle Hoffnung war begraben worden. Mit der Auferstehung Christi habe dann aber etwas Neues begonnen. Nicht der Tod habe das letzte Wort, sondern das Leben triumphiere. Der Auferstandene habe die Jüngerinnen und Jünger in die ganze Welt ausgesendet, damit nichts von der Botschaft des Lebens und der Liebe, die Jesus verkündet und gelebt hat, verloren gehe. Christus selbst sei von Dorf zu Dorf und von Stadt zu Stadt gegangen und habe den Menschen die Zuwendung und Liebe Gottes erfahren lassen. "Ohne die Aussendung der Jünger wäre Christus Kommen in die Welt eine Episode der Geschichte geblieben", betonte Weihbischof Löhr. Jesus habe seine Sendung in das Leben der Kirche hinein und in den Alltag der Menschen gegeben. "Unser aller kleiner Alltag geht nicht ins Leere, sondern schöpft aus dem Heilsgeschehen in Christus und wirkt daran mit", so Löhr.
Der Weihbischof warnte mit Blick auf gesellschaftliche Herausforderungen und kirchlicher Krisen davor, der Versuchung zu erliegen nur nach innen zu schauen und sich nur mit sich selbst zu beschäftigen. Wer den Zustand einer Gesellschaft oder der Kirche kennen wolle, solle zuerst danach schauen, wie es den Schwächsten ergehe. Dann werde er das Wichtigste schon wissen. "Wo wir aus der eigenen kleinen Welt hinausgehen, sind wir heute schon österliche und auch missionarische Kirche", sagte der Weihbischof. Es brauche glaubwürdige Zeugen für den Glauben, die auch "Hilfe für den Nächsten, Gerechtigkeit gegenüber den Armen, Bildung, medizinische Versorgung für alle, Befreiung aus Armut und Elend, Eingliederung der Ausgegrenzten, Entwicklungshilfe für die Völker, Überwindung von ethnischen Spaltungen und die Achtung des Lebens in all seinen Phasen" im Blick haben. "Mitten in unserer Welt steht Gott mit seiner Liebe zu uns Menschen", so Löhr. Deshalb müssten auch die Menschen Gott wieder in die Mitte ihres Lebens holen. Das persönliche Gebet, Zeiten der Stille, das Lesen in der Bibel, der gemeinsame Gottesdienst und das Leben aus den Sakramenten, seien das, woraus Christen leben und atmen müssten. "Das Herzstück von allem ist die Eucharistie", erklärte Weihbischof Thomas Löhr. Hier erfahre man die Liebe Gottes und empfange den Leib und das Blut Christi, der sich selbst hingegeben habe. Eine solche Liebe könne nicht für sich behalten werden, sondern müsse an die Schwächsten weitergegeben werden. (StS)